"Im Moment mag ich meine eigene Krankenschwester nicht sein!"
Als ich diese Worte vor einigen Jahren zu einer Ärztin auf unserer Station sagte, wurde mir bewusst, dass bei mir der Hut brannte - und zwar lichterloh!
Ich schlief in dieser Zeit schlecht - insbesondere vor Diensten - da mir alles durch den Kopf ging, was mich an Kollegen und Patienten ärgerte, und was aus meiner Sicht strukturell auf Station schief lief. Auch zwischen freien Tagen wurde ich zu völlig unsinnigen Zeiten munter und konnte lange nicht wieder einschlafen. So kam ich immer unausgeglichener, müder und zunehmend erschöpft zur Arbeit.
Mein Geduldsfaden wurde immer kürzer und schon bald regten mich Dinge auf, die ich sonst lächelnd übergehen konnte. Alles, was nicht in meinen Ablauf passte (und das ist auf einer Akutstation potentiell viel!) wurde ein Grund zum meckern. Nicht um anderen das Leben schwer zu machen oder an der Situation etwas zu ändern, sondern einfach, um meiner überkochenden Frustration und Wut irgendwie ein wenig Luft machen zu können. Ich fühlte mich wie ein wandelnder Dampfdrucktopf, der bei der kleinsten Berührung alles verbrühte, was ihm unterkam.
Jeder extra Handgriff, den Patienten erbaten (besonders die Sorte Handgriff, für die sie ganz leicht selber hätten sorgen können) wurde mir mühsam und zunehmend von sehr bissigen Kommentaren begleitet. Meinem Anspruch, freundlich mit Patienten umzugehen, konnte ich schon lange nicht mehr gerecht werden - was mich eines Tages zur obigen Aussage veranlasste.
Doch es brauchte noch einige Monate, bis ich dann wirklich etwas tat. Etwas tun musste, denn ich hatte seit Tagen kaum geschlafen und wusste, dass ich jetzt im sehr gefährlichen, fahrlässigen Bereich unterwegs war. Es wurde wirklich brenzlig!
Also zog ich die Notbremse. Ich war einen Monat lang im Krankenstand. Ich begann eine Psychotherapie bei jemandem, der ebenfalls jahrelang in der Pflege gearbeitet hatte. So fiel mir die berufliche Aussprache leichter. Ich lernte mich selbst neu kennen, sah besser, was mir eigentlich wichtig war. Und auch, wo meine Grenzen lagen, und wie ich beides wahrnehmen und ausdrücken konnte. Ich lernte relativ genau wie ich tickte, wenn diese Grenzen überschritten wurden - mir wurde vieles aus dem privaten und beruflichen Umfeld sehr viel klarer! Ich lernte, ganz neu Krankenschwester zu sein. Und ich lernte, ganz neu "Ich" zu sein. Zum Beispiel:
- Es gibt vernünftige Gründe, "Nein" zu sagen wenn zum Einspringen apelliert wird.
- Es gibt viele gute Möglichkeiten um Personen zu motivieren, die eigene Aktivität zu erhalten und nicht aus Bequemlichkeit an andere abzugeben.
- Nicht alles, was zur Problemlösung zu mir getragen wird, liegt auch in meinem Verantwortungsbereich.
Jetzt wurde mir der psychologische & geistige Aspekt des Menschen immer wichtiger und ich bemühte mich um Integration im Pflegealltag. Auf der Akutstation gelang das häufig nicht, was nach und nach wieder alte Verhaltensmuster aufleben ließ. Daher bewarb ich mich um einen Ausbildungsplatz zur Psychologischen Beraterin und wechselte zeitgleich in den pflegerischen Langzeitbereich.
Im Rahmen dieser Ausbildung geht es auch um viel Selbsterfahrung; also saß ich für mehrere Stunden selber bei einem Psychologischen Berater. Als einmal wieder mein beruflicher Ärger überhand nahm und emotionsgeladen Thema wurde, stieß ich auf Unverständnis und eine mittelmäßig schockierte Reaktion über meine Ausdrucksweise. Ja, der frustrierte Pflegejargon ist nicht für jedermanns Ohren gedacht - doch wissen wir Pflegenden untereinander, dass wir damit in der Regel (!) niemanden brüskieren oder niedermachen wollen, sondern es lediglich zum "Dampf ablassen" dient. Ob das nun die beste Möglichkeit ist, sei dahingestellt.
Jedenfalls stand ich nach der Stunde mit einem größeren Sorgenpaket da als vorher - und das war der Moment, in dem ich einerseits den Berater wechselte, und andererseits den Schwerpunkt meiner eigenen Beratungstätigkeit festlegte: Pflegekräfte.
und begleite Dich gerne in ein neues, erfüllteres und lebendigeres Kapitel.